Samstag, 29. Mai 2021

Offener Brief des AK Bremer Protest wegen Rassismusvorwürfen gegen die Brebau

Offener Brief des Arbeitskreises Bremer Protest gegen Diskriminierung und für Gleichstellung behinderter Menschen zu den Rassismusvorwürfen gegen die BREBAU GmbH

Sehr geehrter Herr Senator Strehl,
Sehr geehrter Herr Lühr,
Sehr geehrter Herr Stauch, 

mit Entsetzen haben wir – sich für Inklusion einsetzende Menschen mit Behinderungen – von den Rassismusvorwürfen gegen die Brebau erfahren. Wenn Menschen aufgrund von Äußerlichkeiten und rassistischen Stereotypen keine Wohnung bekommen, sind sie Opfer von Ausgrenzungen, die ihre gesellschaftliche Teilhabe und mitunter sogar ein menschenwürdiges Leben verhindern.

Wohnen ist ein Menschenrecht. Es muss für alle Menschen zugänglich und bezahlbar sein. Wir Menschen mit Behinderungen fordern, dass es genügend Wohnraum für alle Menschen geben muss, der ihren Ansprüchen genügt und der ihnen nicht aus diskriminierenden Gründen vorenthalten wird. 

Auch wir Menschen mit Behinderungen erleben an vielen Stellen in unserem Alltag nach wie vor Ausgrenzungen und Diskriminierungen. Nicht zuletzt auf dem Wohnungsmarkt sind wir mit fehlenden barrierefreien oder zu teuren Wohnungen konfrontiert oder werden aufgrund unserer Beeinträchtigungen nicht als mögliche Mieter:innen angesehen. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wenden wir uns gegen jede Form der Ausgrenzung und fordern Sie auf, den Vorwürfen von rassistischen Vergabekriterien für Wohnungen der Brebau auf den Grund zu gehen und zu beheben. 

Wir erklären unsere volle Solidarität mit den offensichtlich von rassistischen Vergabekriterien Betroffenen und setzen darauf, dass diese Praxis nun eindeutig aufgearbeitet und für die Zukunft verhindert wird. Zugleich weisen wir darauf hin, dass diskriminierende Vergabekriterien auch Menschen mit Behinderungen treffen können. Im Interesse einer inklusiven Stadtgesellschaft, die Ausgrenzungen verhindert, regen wir an, im Rahmen der Aufarbeitung der aktuellen Vorwürfe, die Vergabekriterien der Brebau auch auf eventuelle behindertenfeindliche Praktiken zu überprüfen. 

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und freuen uns, wenn Sie unser Anliegen teilen!


Mit freundlichen Grüßen 

gez. Dr. Joachim Steinbrück                                       gez. Gerald Wagner
für den Arbeitskreis Bremer Protest                            LAG Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen

Sonntag, 23. Mai 2021

Als ich von der Absicht eines neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes erfuhr war ich hoch erfreut.

Als ich von der Absicht eines neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) erfuhr war ich hoch erfreut. So schnell habe ich nicht mit der Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen der EU (European Accessibility Act; kurz: EAA-Richtlinie) aus April 2019 in deutsches Recht gerechnet, Zeit wäre bis Juni 2022 gewesen und muss (von Ausnahmen abgesehen) ab Juli 2025 angewandt werden.

Die EAA-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten unter anderem dazu, den gesamten Online-Handel (es gibt Ausnahmen für kleine Unternehmen) für Verbraucherinnen und Verbraucher barrierefrei zu gestalten. Des weiteren müssen weitere Verpflichtungen zur barrierefreien Gestaltung eingegangen werden, unter Anderen Bankdienstleistungen (einschließlich Bankautomaten) die gesamte elektronische Kommunikation (z.B. Telefone, Notrufnummern, Gegensprechanlagen, u.a.), der Zugang zu audiovisuellen Medien, dazu zählen u.a. die audiovisuellen Angebote aller öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten. Auch Streaming-Dienste (Video-on-Demand-Angebote) fallen darunter.

Nach genauerer Beschäftigung und Analyse der wesentlichen Punkte wurde ich schnell von der Realität eingeholt. Obwohl vorgewarnt von einem strittigen Referentenentwurf war und bin, bin ich vom Endergebnis tief enttäuscht. Begründen möchte ich dies hier mit drei Punkten und bin der Meinung, hier muss unbedingt nachgebessert werden und schließe mich hier dem Deutschen Behindertenrat vollends an (https://www.deutscher-behindertenrat.de/ID263635):

  • Übergangsfristen: Das Gesetz tritt nach jetzigem Stand erst am 28. Juni 2025 in Kraft und gewährt Unternehmen zudem eine Übergangsfrist von bis zu 15 Jahren. Das bedeutet, dass die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen erst ab 2040 vollends verpflichtend sein wird. Dies widerspricht den Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention und ist für Menschen mit Behinderung nicht hinnehmbar. Barrierefreie Produkte und Dienstleistungen – egal ob privat oder beruflich – sind für eine gleichberechtigte Teilhabe unabdingbar.

  • Zentrale Marktüberwachung: Die Marktüberwachung fällt aktuell in die Zuständigkeit der Bundesländer. Für eine einheitliche Rechtsanwendung und Marktransparenz braucht es aber eine zentral organisierte Marktüberwachung, die Barrierefreiheit systematisch und effizient kontrolliert und durchsetzt.

  • Barrierefreie bauliche Umwelt: In dem Gesetz fehlen Angaben zur Barrierefreiheit der baulichen Umwelt vollends. Dies kann zur Folge haben, dass Produkte und Dienstleistungen wie Bankautomaten oder Buchungsterminals zwar barrierefrei sind, Barrieren in der Umgebung aber weiterhin bestehen bleiben. Barrierefreiheit muss – auch gesetzlich – ganzheitlich gedacht und umgesetzt werden.
Warum so lange Übergangsfristen? Güter und Dienstleistung, auch mit Hinblick auf die sich rasant schnell ändernden Digitalisierung, können und müssen sich dem Wandel der Zeit kurzfristig anpassen. Warum also nicht zum Vorteil der Barrierefreiheit?

Befremdend finde ich den § 17 BFSG, Unverhältnismäßige Belastungen, Verordnungsermächtigung, Abs. 1. „Die Barrierefreiheitsanforderungen der nach § 3 Absatz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung gelten nur insoweit, als deren Einhaltung nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung nach Anlage 4 des betreffenden Wirtschaftsakteurs führen würde. Der Wirtschaftsakteur nimmt eine entsprechende Beurteilung vor.

Die Wirtschaft übernimmt also per Gesetz die Bewertung von Verhältnismäßigkeit seiner eigenen Güter und Dienstleistungen im Verhältnis zur Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen. Hier sehe ich einen eklatanten Widerspruch zu den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), ratifiziert von der Bundesrepublik Deutschland im fernen Jahr 2009 mit der zentralen Aussage „Nichts über uns ohne uns!“. Und das obwohl wir alle genau wissen, dass der neoliberale Kredo, „Der Markt wird es schon richten“ nicht funktioniert. Selbstverwaltung bei gleichzeitiger eigenen Interessenvertretung war schon immer ein Schuss in den Ofen.

Zusammenfassend gesagt: Es ist sicherlich als positiv zu betrachten, dass mit dem BFSG Ziele der Barrierefreiheit für Güter und Dienstleistungen in Angriff genommen werden. Es besteht jedoch noch ein enormer Bedarf an Nachbesserungen und da werden die Verbände und Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen sicherlich bald ganz konkrete Vorschläge unterbreiten.

Leider sehe ich im BFSG, obwohl unsere SPD als Koalitionspartner der aktuellen Regierung diesem Gesetz im Bundestag am 20. Mai 2021 zugestimmt hat, nur sehr bedingt den Beschluss unseres Parteivorstandes wenige Tage vorher, vom 8. Mai 2021, besonders im Abschnitte „Bewusste Entwicklung von barrierefreien Produkten“ wieder2. Hierzu sehe ich dringenden innerparteilichen Abstimmungsbedarf. Wie erkläre ich unseren potentiellen Wählern diese Unterschiede? Dem Mythos der Unglaubwürdigkeit der SPD wird hier nichts entgegengesetzt.

Freitag, 21. Mai 2021

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz muss umgehend geändert werden!

Ich bin Stinkesauer über die Entscheidungen der SPD zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. So funktioniert der Weg zur barrierefreien, selbstbestimmten Teilhabe nicht. Dabei hat sich die unsere Partei dazu erst vor wenigen Tagen ganz anders positioniert (siehe den Beschluss des SPD-Parteivorstands vom 08.05.2021).

Von der SPD erwarte ich, dass diese Entscheidung gegen die Teilhabe revidiert wird.

Donnerstag, 6. Mai 2021

Fortschreibung des Landesaktionsplans in Bremen zur Umsetzung der UN-BRK

Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) zielt auf die Verwirklichung der Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Damit ergänzt und konkretisiert sie den Auftrag aus Bremens Landesverfassung an den Staat, die gleichwertige Teilnahme behinderter Menschen am Leben in der Gemeinschaft zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken.

Nach der Beurteilung (Evaluierung) des Landesaktionsplans aus dem Jahr 2014 durch das Institut für Menschenrechte, hat Anfang 2020 der Prozess der Fortschreibung begonnen. Um allen Handlungsfeldern des künftigen Landesaktionsplans genug Raum zu geben, findet die Entwicklung und Erörterung von Maßnahmenvorschlägen seit März 2021 in folgenden Arbeitsgruppen statt:

  • Mobilität / Bauen, Wohnen und selbstbestimmte Lebensführung

  • Schutz der Persönlichkeitsrechte / Familie und Partnerschaft

  • Arbeit und Beschäftigung

  • Erziehung, Bildung und Wissenschaft

  • Gesundheit und Pflege

  • Kultur, Freizeit und Sport

  • Information und Kommunikation

Alle Arbeitsgruppen tagen erneut ab Juni 2021 und Menschen mit Behinderungen aus dem Bundesland Bremen sind dazu aufgerufen sich aktiv an der Mitgestaltung zu beteiligen. Alle Sitzungen sind öffentlich und barrierefrei zu erreichen. Sofern möglich, werden die Sitzungen in Hybridformat, als Online- und als Präsenzveranstaltung durchgeführt.
Weiterführende Informationen unter: https://www.teilhabebeirat.bremen.de/fortschreibung-12589

Der SoVD unterstützt aktiv die Weiterentwicklung des Landesaktionsplanes und bittet alle Mitglieder im Landesverband Bremen um Unterstützung.


Veröffentlicht im SoVD Newsletter Bremen im Mai 2021 

Barrierefreiheit und Wahlkampfveranstaltungen.

Ich denke, es hat sich noch nie jemand so richtig Gedanken darüber gemacht, dass auch Menschen mit Behinderungen Wahlkampf machen und auch g...