Samstag, 31. August 2019

CSD Bremen 2019 - 40 Jahre CSD in Deutschland - Sexualität der Menschen mit Behinderung

Bild: Udo Schmidt
Unter dem Motte "40 Jahre CSD in Deutschland" startete der CSD 2019, organisiert vom Christopher Street Day Bremen e.V., und die Sexualität der Menschen mit Behinderung stand im Mittelpunkt. Aus meiner Sicht hat der CSD Bremen e.V. ein weiteres Mal einen Meilenstein in die Geschichte der queeren GLBTQ* Community gesetzt.
So weit es irgendwie möglich war, hat der CSD e.V. Demo und Kundgebung vorbildlich barrierefrei gestaltet. 2 Trucks machten aufmerksam auf die Probleme sexueller Benachteiligung der Menschen mit Behinderung (siehe Einladung: https://udo-schmidt-hb.blogspot.com/2019/08/csd-bremen-2019-team-behinderte-ladt.html)

Das Bühnenprogramm auf dem Kundgebungsplatz machte nochmal ausdrücklich aufmerksam auf die
Probleme behinderter Menschen mit der Sexualität in einer Diskussionsrunde mit einer Einleitung durch Peter Hölscher von Queerhandicap (https://www.queerhandicap.de/) und anschließender Diskussionsrunde mit Betroffenen und interessanten Anregungen aus dem Publikum.

Im Anschluss konnte die Band „Echtes Leben“ hervorragend für gute Stimmung sorgen.
Die Band „Echtes Leben“ ist eine Musikgruppe der Lebenshilfe Bremerhaven, die seit Januar 2006 besteht. Seither treffen sich die Musikbegeisterten immer dienstags zur Probe, um gemeinsam mit einem pädagogischen Mitarbeiter Lieder zu singen. Die Auswahl der Stücke treffen die Musiker selbst: Hauptsächlich werden deutsche Schlager gespielt, aber auch Lieder mit englischen Texten sind dabei. Regelmäßig tritt „Echtes Leben“ auch bei kleinen Festen innerhalb und außerhalb der Lebenshilfe auf.


Zum Thema "Sexualität der Menschen mit Behinderung" habe ich mir auch ausführliche Gedanken gemacht, schließlich stammen die Phrasen auf den CSD-Trucks aus meinen Vorschlägen und dabei bin ich auf eine der seltsamsten und unbequemsten Fragen der letzten Zeit gestoßen:

Warum Menschen mit Behinderungen nicht fähig sind Lust zu empfinden. 


Ähhhhhhh, ich befürchte, ich werde diese Frage nicht beantworten können! Sie kann nicht beantwortet werden, denn sie ist nicht zutreffen!

Ich habe darauf hin sehr viel recherchiert und bin auf einen Artikel aus dem Jahr 2013 von Raul Krauthausen, einem Aktivisten mit Schwerstbehinderungen gestoßen, ein Artikel der aktueller denn je ist. Ein paar Punkte möchte ich daraus aufnehmen.

Eigentlich kann man kaum einen Tag verbringen ohne irgendwo mit dem Thema „Sex“ konfrontiert zu werden. Egal, ob in den Medien, auf Plakaten oder beim Gespräch egal wo man gerade ist, am eigenen Tisch oder den Nachbarn. Offen über Sex und Sexualität zu sprechen ist kein Tabu mehr.
Trotzdem können sich viele Menschen überhaupt nicht vorstellen was wirklich in den Schlafzimmern von/mit Menschen mit Behinderungen geschieht.

Raul Krauthausen hat 10 Vorurteile beschrieben, Vorurteile, die so oder ähnlich auch schon mal von uns gehört oder gesagt wurden.

Vorurteil 1: Behinderte Menschen sind asexuell.
Der Wunsch, die eigene Sexualität zu leben, wird nicht von einer Behinderung gemindert. Die meisten Menschen mit Behinderung sind natürlich auch an Sex interessiert. Egal ob hetero, homo, bis oder sonst wie, Behinderte Menschen sind genau wie der Rest der Menschheit – und ja, vielleicht sind auch manche asexuell. Nur die meisten sind es eben nicht.

Vorurteil 2: Behinderte Menschen können nicht “sexy” sein.
Grundsätzlich ist schwer zu sagen, was „sexy“ ist und was nicht. Jeder empfindet das anders.
Eine Behinderung macht nicht automatisch “unsexy”. Wieso denken aber scheinbar viele Menschen, dass es so ist?
Treffen wir zu selten auf Menschen mit Behinderungen oder Verliebt man sich nicht nicht so schnell in jeden Menschen der einem begegnet?
Bestimmt haben auch DIE eine “sexy” Seite, genauso wie jeder andere auch.

Vorurteil 3: Behinderte Menschen mögen es nicht an Stellen angefasst zu werden, an denen sie nichts fühlen oder etwas “kaputtgehen” kann.
Wenn man es mit einem Menschen mit Lähmung oder Glasknochen zu tun hat, kommt es oft zu dem Missverständnis, dass diese es nicht mögen an ihren gelähmten / zerbrechlicheren Körperstellen berührt zu werden.
Oft wird angenommen, derjenige findet es merkwürdig, gefährlich oder wird daran erinnert, was er oder sie nicht mehr hat. Aber das ist meist nicht wahr! Viele Menschen mit Behinderung können auch an gelähmten Körperteilen etwas spüren und wollen genauso Action im Bett wie Nichtbehinderte auch.
Im Film „Ziemlich beste Freunde“ wurde es in einer Szene gut gezeigt, als der Rollstuhlfahrer einfach sagte, dass es ihm gefällt an den Ohren gestreichelt zu werden.
Also los! Traut euch nachzufragen und liebt jeden Zentimeter, der geliebt werden will!

Vorurteil 4: Behinderte Menschen genießen es nicht.
Das ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Aber die Wahrheit ist, dass der menschliche Körper auch auf tiefgründige Weise sexuelle Lust empfinden kann. Sexualität hängt nicht nur mit dem zusammen, was auf Nerven oder Knochen-Ebene empfunden wird. Vielleicht empfinde er oder sie nicht genau das gleiche, aber trotzdem genießt man jede Minute der Intimität.
Interessanterweise ist das Gehirn das wichtigste Geschlechtsorgan.

Vorurteil 5: Sex macht Menschen mit Behinderung traurig.
Nicht der Sex, sondern die Annahmen keinen zu haben macht traurig.
Überraschung: Der menschliche Körper will sich fortpflanzen und eine Behinderung macht Sex nicht zu einer traurigen sondern zu einer der schönsten Sachen der Welt!

Vorurteil 6: Behinderte Menschen sind langweilig im Bett.
Vielleicht sind wir kein Turner im Bett, aber trotzdem gibt es Tricks und Hilfen. Menschen mit Behinderung sind definitiv nicht alle nur auf Blümchensex aus.
Hilfsmittel gibt es jede Menge, bis hin zum Deckenlift – und es gibt viele Ideen, um tolle Positionen einzunehmen. Das ist alles andere als langweilig!

Vorurteil 7: Männer in Rollstühlen können keine Erektion bekommen - oder Vater werden.
Einige Männer im Rollstuhl mögen Erfahrungen mit Erektionsproblemen haben. Doch das heißt nicht, dass sie gar keine Erektion haben können. Viagra und Co. haben die Tore zur Erektion für Männer mit Behinderungen geöffnet.
Und auch für alles Andere gibt es Möglichkeiten oder Hilfsmittel.

Vorurteil 8: Frauen im Rollstuhl können keine Kinder bekommen.
Manchmal sind Frauen im Rollstuhl nicht ganz so fruchtbar wie andere. Das Lindert aber nicht die Lust am Sex und auch sie können und wollen zuweilen schwanger werden.
Wenn keine Kinder geplant sind: Immer schön auf die Verhütung achten ;-)

Vorurteil 9: Frauen im Rollstuhl können keinen Orgasmus bekommen.
Orgasmen können definitiv auch Frauen mit Behinderung bekommen. Wenn überhaupt, dann kann es sein, dass einige Frauen andere Wege als körperliche Lust nutzen, um ihren Höhepunkt zu erreichen. Jeder Mensch ist dabei anders und hat seine eigenen erogenen Zonen. Außerdem gibt es auch den mentalen Orgasmus, den man sich zu Nutze machen kann.

Vorurteil 10: Behinderte Menschen haben Sex-Entzug.
Ja, das stimmt leider viel zu oft. Viele Menschen mit Behinderung müssen lange warten um einen Partner zu finden. Nichtbehinderte Menschen denken oft, dass Behinderte Menschen asexuell sind und ziehen Menschen mit Behinderung viel zu selten als Sexualpartner oder Partnerin in Betracht.
Aber auch wenn der Anteil an potentiellen Partnern vielleicht nicht ganz so hoch ist, so gibt es auch Menschen die keine Bedenken haben und es einfach machen. Es sollten einfach mehr sein.

Wie war nochmal die Ausgangsfrage?

Warum Menschen mit Behinderungen nicht fähig sind Lust zu empfinden?

Gebt Menschen mit Behinderungen die Chance auf Teilhabe und es wird fantastisch!

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